Zu Beginn ihrer Karriere fand die "Laterna Magica" vor allem auf Jahrmärkten ihren Einsatz. Sie war gerade zu das Synonym für ein Gemisch aus Populärwissenschaft, spektakulär aufbereiteter neuer naturwissenschaftlicher Erkenntnisse und Showeffekt.
Laterna-Magica-Vorstellung. Gemälde von Paul Sandby um 1760.
Dabei ging es durchaus nicht nur um platte Projektion von Bildern: spezielle "Laterna Magicas" zauberten damals atemberaubende Special Effects und Animationen, die für große Popularität sorgten.
Zwei Schausteller mit Laterna Magicas. Li.: Bronzefigur von A. Bofill, um 1900, Re.: Meißner Porzellan-Figur mit Leierkasten und Laterna, Mi. 18. Jh.
Dieses französische Magazin, das sich mit allerlei Merkwürdigkeiten, Entdeckungen, Kunst und Reisen befasst, heißt "La Lanterne Magique":
Nach der Erfindung der Fotografie zeigten auch Vereine oder Gesellschaften Dias zu speziellen Themen, anlässlich von Jahrestagen, oder dem Geburtstag des "Landesvaters". Auch touristisch wurden "Laternenbilder" und Projektoren genutzt. Zusammen mit dazu passenden informativen Texten brachten sie dem bildungshungrigen, aber reiseunfähigen Bürger der Jahrhundertwende Menschen, Kultur und Geschichte von Ländern wie Ägypten und China näher. Auch Naturphänomene und die Erdgeschichte mit der Evolution (Saurierbilder!) waren Themen.
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Bericht über einen Diavortrag zur "Nachfeier des Kaisergeburtstages" (Teltower Kreisblatt vom 20. April 1893) | Ankündigung eines Diavortrages aus "Luthers Leben" (Teltower Kreisblatt vom 8. Nov. 1896) |
Effekte und erbauliche Gesänge wollte man an Schulen und Universitäten natürlich nicht erleben! Dort war nüchterne Wissenschaft gefragt. Das Arbeiten mit großen und kleinen Dias hatte dennoch seine Vorteile - und seine Tücken! Natürlich konnte man mit einem Dia viel plastischer und vor allem simultan zum Vortrag illustrieren, als wenn man etwa Bilder durch den Saal gereicht hätte. Die Fotografie hatte das oft ferne Kunstwerk präsent gemacht - die Diaprojektion machte es möglich, es einer großen Zuhörerschaft eindringlich zu präsentieren. Kein Wunder, dass sich Bildungseinrichtungen, aber auch die politische Propaganda, des Mediums bedienten!
Werbeblatt für Lichtbilder und Projektoren für die Schule von der Firma Benzinger, 1925
In den USA machten die "Lyceums", eine Art Volkshochschule, die in eigenen Gebäuden Vorträge mehr oder weniger wissenschaftlicher oder unterhaltsamer Art präsentierten, vom 19. Jh. bis in die 1920er Jahre reichlich Gebrauch von Diavorträgen. Die professionellen Vortragenden wurden durch eigene Agenturen vermittelt und konnten in der Topriege bis zu 9000 $ (! umgerechnet in heutige Währung) verdienen. Auch im Gebrauch von Dias in Schulen waren die USA Vorreiter ("Jede größere Schule besitzt eine Laterna Magica, oft deren mehrere") , wie bereits in den 1870er Jahren ein deutscher Autor nicht ohne Wehmut bemerkt - in Deutschland hielt man dagegen noch an den"kostspieligen und ungenauen Wandtafeln" fest.
Ein Problem war zunächst noch die Beleuchtungsquelle der Projektoren. Erst als das elektrische Hauslicht stabil und verbreitet war, konnte es verlangt werden, dass jeder Lehrer die Lichtbilder benutzte. Dies war in Deutschland erst nach dem 1. Weltkrieg der Fall. Mit speziellen Projektorvorsätzen konnten auch kleine physikalische und chemische Experimente vorgeführt werden. Möglichst jedes Fach, auch Alte Sprachen, sollten mit Dias versorgt werden, die zum Beispiel in diesem Fall Römische und Griechische Ruinen und Reliefs zur Illustrierung der Lebensart zeigen sollten. Lichtbildstellen wurden eingerichtet, in denen die Schulen ausleihen konnten. Große Lichtbildverlage wie Benzinger, Seemann und Stoedtner stellen spezielle Reihen her, die auf die Bedürfnisse der Schüler zugeschnitten waren und ein Thema (etwa "Die französische Gotik" oder "Rom in der Kaiserzeit") mit Beispielen behandelten. Die Bildungsreform in Deutschland sorgte für große Anstrengungen in der Verbreitung der Dia- (und Film-)projektion und der Entwicklung einer eigenen Lehrmethode "am Lichtbild". Diese Anstrengungen wurden im Nationalsozialismus noch intensiviert.
Ab 1934 bis 1945 kümmerte sich die Reichsstelle für den Unterrichtsfilm / Reichsanstalt für Film und Bild im Unterricht um die Versorgung der Schulen mit Film- und Diamaterial, sowie Projektoren, prüfte in einem komplizierten Prozess neue Diaserien, Filme und Projektoren und gab diese für die Schulen frei - oder auch nicht. Die Zensur erfolgte dabei nachweislich NICHT aufgrund nationalsozialistischer Propagandavorgaben, sondern aus pädagogischen Erwägungen, wobei gerade viel Propagandamaterialien aus der Schule ferngehalten wurden. Die von der Reichsstelle herausgegebenen und/oder freigegebenen Schulmaterialien haben die charakteristischen Etiketten, oft mit dem Logo der RfdU / RWU:
Für den Einsatz von Dias zu Lehrzwecken in Schulen gab es Beihefte, aus denen der passende Text vorgelesen werden konnte, bald auch Schallplatten, und schließlich Kasetten, die den Diavortrag begleiteten. Kombigeräte zwischen Tonabspielgerät und Diaprojektor wurden entwickelt.
Zwei Diareihen des E.A. Seemann-Verlages ("Seestern-Lichtbilder") aus Leipzig mit zugehörigem Textheft, verfasst von einem Rostocker Universitätsprofessor. Bei Erwerb der vollständigen Reihe wurden Texthefte kostenlos beigegeben.
Exemplare der "arsono"-Reihe aus Belgien zu Themen der Kunstgeschichte. Jede Mappe enthielt eine Schallplatte mit Text zu den einzelnen Dias. Mit diversen Geräuschen (z.B. einem Triangelklang oder einem Möwenschrei (!)) wurde signalisiert, dass zum nächsten Dia zu wechseln war. Damit konnten Vortrag und Projektion synchron gehalten werden.
Bis in die jüngste Zeit hinein blieben Kleinbild-Diapositive und Projektoren Bestandteil schulischer Lehrmittel für fast alle Fächer.
Auch an Universitäten kamen natürlich Lichtbilder zum Einsatz. Hier wurden aber eher keine Reihen erworben. Die Lehrenden wählten aus dem Angebot der Verlage nur einzelne Lichtbilder aus. War ein Dia nicht im Angebot, mussten Vorlagen (Fotos, gedruckte Bilder in Büchern) besorgt werden, um als Grundlage des Lichtbildes zu dienen. Kritisch aber stand man dem "neuen Medium" gerade in den Bildwissenschaften, besonders der Kunstgeschichte, gegenüber. Hier kam es schließlich auf besonders exakte Wiedergabe der Objekte an. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts erkannte ein deutscher Kunsthistoriker aus Berlin den Wert eines "Bildwerfers" sein Fach.
Ein Projektor im Einsatz bei einer Astronomievorlesung im 19. Jh.
Dann aber sammelten die Fächer der Kunstgeschichte und Archäologie Diatheken mit vielen zehntausend großen Glasdias (und später den Kleinbilddias) an. Leider gingen viele dieser Schätze bei den Luftangriffen im II. Weltkrieg verloren. Andere Sammlungen wurden später als oft als nicht mehr zeitgemäß und überflüssig entsorgt.
Die folgenden prächtigen alten Glasplatten-Dias (Größe 8,5 x 10 cm) befinden sich im Besitz des Kunstgeschichtlichen Seminars der Universität Hamburg. Interessant sind auch die Aufkleber und Beschriftungen, die Herkunft, Alter und Erwerb des Objekts anzeigen und in der Provenienzforschung und Fachgeschichte wichtig sind.
Herculaneum, römische Wandmalerein, handkoloriertes Dia der Firma Paul Kleye aus Berlin hergestellt um 1935 |
Ein Kunstwerk für sich: Dia der Firma Krüss mit runder, dem Motiv angepasster Maske, ehem. Archäol. Seminar, hergestellt vor 1918 |
Auch die Wäscheleinen in Genua waren es wert, auf einem Dia abgebildet zu werden, Dia um 1910. |
Abu Simpel - noch nicht ausgegraben. "Seestern"-Lichtbild aus Leipzig, ehem. Seminar für Alte Geschichte, um 1910. |
Bamberger Dom, Portal. Dia der Lichtbildanstalt Franz Stoedtner, Berlin, um 1925. |
Doppeldia für das "Vergleichende Sehen", beschriftet vom Kunsthistoriker Erwin Panofsky, um 1925. |
Religiöse Bildung war ein Hauptanliegen im 19. und Anfang des 20. Jahrhunderts. So gab es zahlreiche Serien zu Themen wie "Das Leben Jesu", auf den Spuren der Apostel, Katechismus und Ähnliches.
Reiseunternehmen und Eisenbahnunternehmen stellten bereits im 19. Jahrhundert Großdiaserien her, die die Menschen zum Aufbruch animieren sollten (natürlich mit der Gesellschaft, die ihnen die schönen Dias produziert hatte)!
Im 20. Jahrhundert gab es überall an touristischen Hotspots und Museen kleine Kleinbild-Serien zu kaufen, die als Reiseerinnerung dienen konnten. Oft waren die Dias in billige Papprähmchen gerahmt und filmisch von nicht sehr guter Qualität: nach ein paar Jahren waren sie magentastichig.
Typische kleine Diaserie für Touristen aus der DDR, hergestellt von der DEFA. Das Textblatt lag mit in der Plastedose. Dank Aufbewahrung in der lichtgeschützten Dose sind die Dias aus den 1980er Jahren noch wie neu.Dias wurden auch zu Werbezwecken im Kino vor Beginn des Films verwendet. Sowohl Groß- als auch Kleinbilddias kamen für Schaufensterwerbung in Endlosschleifen zum Einsatz.
Das Lichtbild besaß eine eigene Kultur. Es war aus dem öffentlichen Leben, der Wirtschaft und der privaten Lebensart nicht wegzudenken. Bald nach 1900 gab es "Dia-Clubs", die nach festgesetzten Regeln ihre Lichtbilder untereinander tauschten, wie diese Anzeige in einem Fotografier-Journal von 1905 zeigt:
Seit der Erfindung der Kleinbildkamera und des Kleinbilddias in den 1930er Jahren wurden auch vermehrt private Szenen festgehalten, ja, es wurde sogar beworben, dass erst die Projektion die Fotografie vollendete. Je billiger die Materialien wurden und je einfacher der Herstellungsprozess, bzw. Auftragsprozess in kommerziellen Fotolaboren, um so mehr Dias wurden produziert: der Nachwuchs, der Strandurlaub, die erste Party... Aus dem Familienleben der 50er bis 90er Jahre gar nicht wegzudenken sind die Dia-Abende, bei denen die Erlebnisse des letzten Urlaubs oder familiäre Highlights bei Knabbergebäck und im gemütlichen Wohnzimmer geteilt wurden - nicht auf Facebook!
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"The Lyceumite"-Gazette Nr. 27
Hans Bettin: Diapositiv-Technik, Halle 1950.
Arno Gaudig: Kleinbild-Diapositive, einfach und billig (Foto-Rat Heft 21), Halle 1954
Ralph Weizsäcker: Diapositiv-Technik. Herstellung, Verwendung und Vorführung von Durchsichtsbildern - schwarzweiß und farbig, Düsseldorf 1956